Zwickauer Forscher entwickeln Cyberanzug für den Alltag
Die Fakultät Elektrotechnik der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ) stellt auf der HANNOVER MESSE einen neuartigen Cyberanzug vor. Das System kombiniert eine Datenbrille mit den in der Kleidung untergebrachten, vernetzten Sensoren. Die Sensoren erfassen für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit seines Trägers wichtige Vital- und Belastungswerte. Die Datenbrille kann dem Nutzer beim Überschreiten von Grenzwerten sofort eine Warnmeldung und Handlungsempfehlungen vors Auge projizierten.
Neuartige Kombination von Datenbrille und Sensoranzug
Am Cyberanzug werden die Ergebnisse zweier Forschungsprojekte vereint. Die Datenbrille besitzt eine Blicksteuerung. Der Anwender kann somit ohne eine Handbewegung Eingaben tätigen. Zusätzlich wurde die Datenbrille mit weiteren Sensoren zur Messung von Parametern am Kopf wie z. B. Schall und Temperatur ausgestattet. Der Sensoranzug wird durch die Nachwuchsforschergruppe "midasKMU" entwickelt. Dieser Anzug integriert verschiedene Sensoren zur Messung von Vitalwerten. Dehnungssensoren messen die Bewegungen von Armen und Beinen. Eine EKG-Aufzeichnung erfasst die Herzfrequenz und gibt so Aufschluss über die Belastung des Trägers. Beschleunigungssensoren an verschiedenen Stellen des Körpers erfassen die Geschwindigkeit von Armbewegungen. Die Sensorinformationen werden in Echtzeit von einer Computereinheit ausgewertet und können über die Datenbrille visualisiert werden. Zusätzlich sollen Langzeit-, und Tagesauswertungen abrufbar sein.
Viele Anwendungsfelder denkbar
Durch die technische Komplexität des Cyberanzugs ergeben sich viele mögliche Einsatzbereiche. Die reine Datenbrille mit Blicksteuerung wurde primär für ALS-Patienten entwickelt, um eine Kommunikation mit Angehörigen oder Pflegepersonal zu ermöglichen. Die Kombination mit dem Sensoranzug kann auch zur Unterstützung von älteren Menschen eingesetzt werden. Gemeinsam mit einem Arzt kann im Cyberanzug ein zum derzeitigen Trainings- und Gesundheitszustand passendes Belastungsprofil hinterlegt werden. Die vernetzte Sensorik überwacht im Hintergrund die Bewegung und Vitalwerte und kann somit sofort Warnmeldungen bei einer Überlastung signalisieren.
Im industriellen Bereich kann der Cyberanzug insbesondere bei schweren körperlichen Arbeiten den Nutzer unterstützen. Ein Beispiel ist der Einsatz im Stahlwerk, hier tragen Arbeiter einen Hitzeanzug und bewegen gleichzeitig schwere Gegenstände. Die vitalen und kognitiven Belastungen und Aktivitäten des Mitarbeiters werden in der aktuellen Situation erfasst, Überlastungen dem Nutzer signalisiert.
Der Sportbereich kann sich zu einem weiteren Anwendungsfeld entwickeln. Insbesondere bei Multi-Sport-Formen bietet der Cyberanzug viele Möglichkeiten. So könnte beim Biathlon der Puls des Sportlers permanent erfasst und parallel zum Streckenprofil über die Datenbrille visualisiert werden. Der Sportler wäre somit in der Lage, gezielt vor der nächsten Schießeinlage seinen Puls zu senken. Während des Schießens kann über die Datenbrille sofort das Trefferbild und die daraus resultierenden Strafrunden angezeigt werden. Während des Wettkampfes wird dem Sportler ständig seine Position angezeigt. Nach dem Wettkampf stehen dem Sportler gemeinsam mit dem Trainer Auswertemöglichkeiten für die Optimierung des weiteren Trainings zur Verfügung.
Cyberanzug nur durch Gemeinschaftsforschung möglich
Die Entwicklung des Cyberanzugs ist nur durch die Zusammenarbeit mehrerer sächsischer Hochschulen und Unternehmen möglich. Die Datenbrille mit Blicksteuerung wird im Projekt "EyeLLis" entwickelt, wobei die Fakultät Elektrotechnik der WHZ die Datenbrillen-Hardware realisiert. Die Professur für Ingenieurpsychologie und die Neurologische Universitätsklinik der TU Dresden evaluieren die Anwendung der Datenbrille mit Blicksteuerung für ALS-Patienten. Die Firma Interaktive Minds Dresden GmbH erstellt die Anwendungssoftware für die Interaktion mit Blicksteuerung.
Der Sensoranzug entsteht in der WHZ-internen Nachwuchsforschergruppe "midasKMU" unter der Leitung von Prof. Torsten Merkel. Das Institut für Textil- und Ledertechnik erarbeitet den textilen Sensoranzug sowie die Integration der Sensoren, die Fachgruppe Physikalische Technik entwickelt die Biosensorik und deren Auswertung. Der Fachbereich Wirtschaftsinformatik bearbeitet die Aufbereitung der Messdaten im Kontext zur Anwendung. Die Fakultät Angewandte Kunst Schneeberg erstellt das Produktdesign der Datenbrille. Als assoziierter Projektparter ist auch die Professur für Sportgerätetechnik der TU Chemnitz beteiligt, die Sensoren und Auswerteinheiten einbringt.