Leichte Autos aus 80% Abfall

Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie haben Forscher des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden im FOREL-Technologieprojekt ReLei einen Technologiedemonstrator entwickelt, an dem das Thema Recycling konsequent umgesetzt wurde. Dabei handelt es sich um das Rückwandoberteil einer Fahrzeugkarosserie.

     

Schon bei der Bauteilkonzeption und -auslegung berücksichtigte das Projektteam den Einsatz von recycelten Kohlenstofffasern und wiederaufbereitetem Spritzgießgranulat.

Bislang wird das Recycling eines Bauteils erst vergleichsweise spät bei der Produktgestaltung berücksichtigt, was oft dazu führt, dass Anforderungen aus dem Recycling und der mögliche Einsatz von Sekundärmaterialien nur sehr eingeschränkt bei der Bauteilauslegung in Betracht gezogen werden. Aus diesem Grund wurde im Verbundprojekt ReLei ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, bei dem bereits während der Konzeption und Entwicklung die spezifischen Eigenschaftsprofile von unterschiedlichen Recyclingmaterialien, wie etwa recycelten Kohlenstofffasern und wiederaufbereitetem Spritzgießgranulat, berücksichtigt werden.

Für die Bereitstellung von Recycling-Halbzeugen entwickelte das Team des ReLei-Projektes zunächst zwei unterschiedliche Prozessrouten. Zur Realisierung flächiger Verstärkungshalbzeuge wurden aus recycelten Kohlenstofffasern (rCF) und Polyamid-Fasern von der Firma Grimm Schirp GS Technologie GmbH sogenannte Hybridvliese hergestellt. Darüber hinaus wurde aus thermoplastischen Faser-Kunststoff-Verbund-Abfällen auf Polyamid-Basis vom IAM der TU BA Freiberg durch eine mechanische Wiederaufbereitung Splittergranulat hergestellt. Im zweiten Schritt wendete das Team um Prof. Maik Gude erstmals die neuentwickelte Spritzgieß-Fertigungstechnologie des „Schäumformens“ an einer komplexen Geometrie an. Mit dieser Technologie werden in einem One-Shot-Prozess thermoplastische Sandwichstrukturen mit faserverstärkten Decklagen hergestellt. Zusätzlich können im Prozess Lasteinleitungselemente, endlosfaserverstärkte Organobleche und versteifende Verrippungen in die Struktur eingebracht werden.

Die Technologie ermöglicht eine große gestalterische Freiheit und ein hohes Maß an Funktionsintegration. Für die virtuelle Prozessauslegung entwickelte der Projektpartner inpro Methoden zur Abbildung des gesamten Prozesses in einer durchgängigen Simulationskette.

Der Technologiedemonstrator stellt das Rückwandoberteil einer Fahrzeugkarosserie dar. Hier werden zum einen hohe Ansprüche an die Gesamtsteifigkeit gestellt und zum anderen müssen lokal hohe mechanische Lasten aufgenommen werden. Dies betrifft die Verankerung eines Gurtaufrollers und mehrerer Kindersitzbefestigungen im Crash-Lastfall. Darüber hinaus sind aufgrund der Anbindung eines Bass-Lautsprechers hohe akustische Anforderungen in Bezug auf das NVH-Verhalten (Noise, Vibration, Harshness – Auftreten unerwünschter Nebengeräusche) zu erfüllen.

   

Konsequent auf Recycling ausgerichtet

Die entwickelte Fertigungstechnologie erlaubt die Aufteilung der Bauteilstruktur in verschiedene Funktionsbereiche, wodurch die unterschiedlichen Belastungen anforderungsgerecht aufgenommen werden können. Je nach Anforderung kann auf kostengünstiges recyceltes Spritzgießmaterial oder Hybridvliese aus recycelten Kohlenstofffasern zurückgegriffen werden. Den Einsatz teurer Neumaterialien konnten die Wissenschaftler auf lokal begrenzte Organoblech-Verstärkungen beschränken. Der Anteil von Recyclingmaterial liegt insgesamt bei circa 80 %. Auch die stoffliche Verwertung der Demonstratorstruktur und Strategien für eine effektive Demontage waren Bestandteil des Vorhabens.

Das Potenzial von recyceltem CFK für thermoplastische Strukturbauteile, der im Projekt ReLei entwickelte einzigartige Prozess sowie der komplexe Technologiedemonstrator werden beim Projektabschluss auf dem FOREL-Kolloquium am 03. / 04.09.2018 in Dresden der Öffentlichkeit vorgestellt.

Das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ReLei wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmenkonzept „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ mit Mitteln aus dem Energie- und Klimafonds gefördert.