TU Dresden: Künstliche Muskeln machen Musik
Durch den Einsatz innovativer Materialien ist es Forschern der TU Dresden gelungen, eine neuartige Lautsprechertechnologie zu entwickeln. Sie basiert auf dem Einsatz von sogenannten dielektrischen Elastomeren und ermöglicht ultraleichte und hocheffiziente Lautsprecher. Diese Schallwandler-Technologie eröffnet neue Gestaltungs- und Anwendungsmöglichkeiten in Bereichen wie Mobilität und Medizin.
Seit über 100 Jahren sind elektrodynamische Lautsprecher das Maß der Dinge in der Schallwiedergabe. Dabei wird das elektrische Audiosignal in die Schwingspule im Inneren des Lautsprechers geleitet. Diese ist mit der Lautsprechermembran verbunden und sitzt im Magnetfeld eines kräftigen Magnets, der am Korb des Lautsprechers befestigt ist. Die Magnetfelder der Schwingspule und des Magnets beeinflussen einander und bewegen die Lautsprechermembran im Takt des elektrischen Signals. Dadurch wird die Luft in Schwingungen versetzt und Schallwellen erzeugt, die vom Ohr aufgenommen werden. Die heutigen Lautsprecher sind zwar sehr robust, bringen aber auch beachtliche Nachteile mit sich. Durch die Verwendung von starken Magneten sind sie nicht universell einsetzbar, oft schwer und benötigen zur Herstellung seltene Erden. Elektrodynamische Lautsprecher geben Schall vorwiegend in eine Richtung ab. Zudem sind sie nicht effizient, da der Großteil der eingespeisten Energie vom Verstärker (≥ 99 Prozent) in Wärme statt in Schalleistung umgewandelt wird.
Wissenschaftler aus den Professuren für Mikrosystemtechnik sowie Akustik und Haptik der TU Dresden haben sich im Projekt „Schallquellen auf Basis von dielektrischen Elastomeren“ dieser Problematik angenommen. Die entwickelte Schallquellentechnologie basiert auf dem Einsatz von dielektrischen Elastomeren, die elektrische Energie direkt in mechanische Arbeit umwandeln können. Sie sind sehr elastisch, sehr leicht, haben eine hohe Energiedichte und werden daher oft auch als künstliche Muskeln bezeichnet. Durch diese Eigenschaften sind sie besonders für dynamische und akustische Anwendungen geeignet. Anstatt also wie bisher die Flächenbewegungen für die Schallabstrahlung durch das mechanische Vorspannen der Elastomere zu erzeugen, entwickelten die Dresdner Forscher spezielle dielektrische Elastomer-Unimorph-Membrane und multimodale Rollenantriebe. Dabei dienen die dielektrischen Elastomere gleichzeitig sowohl als Bewegungs- als auch als Kraftquellen. Die Eigenbewegungen der Anordnungen können bereits selbst Schall abstrahlen und durch akustische Erweiterungen, wie eine Lautsprechermembran, wird die Abstrahlung zusätzlich verstärkt. Schwingspulen und Permanentmagnet gibt es hier nicht mehr.
Die Leichtgewichte haben noch eine andere vorteilhafte Eigenschaft. Durch die gleichzeitige Abstrahlung des Schalls in mehrere Richtungen werden räumliche Abstrahlungseigenschaften erreicht, die ansonsten den Einsatz mehrerer konventioneller Lautsprecher erforderlich machen.
„Unsere Lautsprecher bieten bereits eine beeindruckende Wiedergabequalität. Durch den Einsatz unserer neuen Technologie können Lautsprecher hergestellt werden, die nicht nur sehr leicht sind, sondern auch einen bereits 10-fach höheren Wirkungsgrad gegenüber herkömmlichen elektrodynamischen Lautsprechern aufweisen. Dieser kann mit einer weiterentwickelten Verstärkertechnik nochmals erheblich gesteigert werden. Zudem kommen sie ohne magnetische und ferroelektrische Materialien aus und sind damit gleichzeitig günstig in der Herstellung sowie ressourcenschonend“, erklärt Entwickler Petko Bakardjiev.
Die hohe Gewichtsersparnis ist besonders im Mobilitätsbereich relevant. Mit leichteren Lautsprechersystemen in Flugzeugen lassen sich bedeutende Mengen Kerosin einsparen. Die neuartigen Abstrahlungseigenschaften könnten auch zu innovativen Beschallungssystemen mit verbesserter Verständlichkeit im öffentlichen Raum beitragen und z. B. große Zeilenlautsprecher in Kirchen ersetzen. Durch den Wegfall von magnetischen und ferroelektrischen Materialien wären Lautsprecher auch in medizinischen Bereichen mit starken Magnetfeldern wie in der Magnetresonanztomographie (MRT) einsetzbar.
Die neue Schallquellentechnologie ist bereits zum Patent angemeldet und wurde in Fachkreisen bereits mehrfach ausgezeichnet. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, Projektnummer 397404199) gefördert.