TU Chemnitz tüftelt am Leichtbaufahrzeug der Zukunft
Zahlreiche Forschungsfelder des Bundesexzellenzclusters "MERGE" der Technischen Universität Chemnitz bündeln ihre Kompetenzen im Systemdemonstrator des „Chemnitz Car Concept“ (CCC). Dabei handelt es sich um ein Konzept, das den Transfer der Forschungsergebnisse in mobile Anwendungen vereinfachen soll und Leichtbau für Studierende und spätere Anwender erlebbar macht. In Kooperation mit Volkswagen wurden dazu zwei baugleiche Serienfahrzeuge angeschafft. Der von den Wissenschaftlern „MERGE up!“ getaufte Kleinwagen wurde gestern im Rahmen eines "Tages der offenen Tür" der Öffentlichkeit vorgestellt.
"MERGE up!" dient als Plattform für Test- und Demonstrationszwecke und repräsentiert die MERGE-Technologien als ein elektrisch angetriebenes Leichtbaufahrzeug. Sowohl Innen- als auch Außenbauteile werden im Verlauf des Projekts als Referenzteile neu entwickelt und exemplarisch im „MERGE up!“ verbaut. Das Basisfahrzeug dient dabei als Bezugssystem.
Ziel der im CCC fokussierten sogenannten „Bivalenten Ressourceneffizienz“ ist es, sowohl die Produktion von Bauteilen für automobile Anwendungen als auch die verwendeten Bauteile selbst in ihren Strukturen so energie- und ressourceneffizient wie möglich zu gestalten, um dadurch Fahrzeuggewicht einzusparen und so die CO2-Emission insgesamt zu reduzieren.
„Chemnitz Car Concept“: Fachübergreifende Fahrzeugforschung
„Das Ziel des Chemnitz Car Concept ist kein fertiges, fahrendes Auto. Vielmehr soll gezeigt werden, dass zahlreiche Fahrzeugkomponenten völlig neu gedacht und entwickelt, unter realen Testbedingungen erprobt und so auch in aktuellen Modellen der Automobilbranche verbaut werden können“, sagt Alexander Hackert, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesexzellenzclusters MERGE und Projektverantwortlicher des CCC. Das Chemnitz Car Concept sei auch Bestandteil von Vorlesungen und Seminaren für Studierende. Außerdem sei neben den Wissenschaftlern aus MERGE auch das Team des studentischen Forschungsprojektes „Fortis Saxonia“ beteiligt und bringe seine Expertise aus der Entwicklung von Leichtbaufahrzeugen mit ein.
Die Professur Alternative Fahrzeugantriebe der TU Chemnitz zeichnet im Projekt für die Umrüstung des Antriebsstrangs des „MERGE up!“-Fahrzeuges in einen elektrischen Antrieb mit zwei Motoren verantwortlich. „Dazu wird aktuell das Getriebe elektrifiziert und ein neues Batterie- und Steuerungsmodul für den Betrieb des elektrischen Antriebsstrangs in der bestehenden Fahrzeugstruktur adaptiert“, beschreibt Michael Schrank, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur, das Vorgehen. „Für den Antriebsstrang des Fahrzeuges soll im nächsten Entwicklungsschritt ein intelligentes Brennstoffzellen-System zum Einsatz kommen, um die Batterie zu ersetzen“, so Schrank weiter.
Neben dem alternativen Antriebskonzept für den MERGE up! steht der Leichtbau im Mittelpunkt des CCC. Ziel der MERGE-Wissenschaftler ist dabei die Entwicklung und Herstellung von Hybrid-Bauteilen, die aus textilen, metallischen und Kunststoff-Komponenten gefertigt werden. Dafür kombinieren sie beispielsweise materialkompatible Fertigungsprozesse mit herkömmlichen Spritzgießverfahren, was zu einer merklichen Verkürzung der Produktionsprozesse und einer hohen Ressourceneffizienz führt, z. B. durch weniger Verschnitt. Sowohl die Grundstrukturen der zum Einsatz kommenden Hybridmaterialien als auch die komplexen Demonstrator-Bauteile selbst werden außerdem automobilspezifischen Tests und Messungen unterzogen und so für den Anwendungsfall erprobt. Auch Robustheit, Funktionalität und Anwenderfreundlichkeit von Elektronikbauteilen und im Fahrzeug verbauten Strukturelementen werden im CCC untersucht. Ein Augenmerk liegt dabei auf dem Schalthebel, dessen Knauf durch den Einsatz unterschiedlicher Materialien auf Haptik und Benutzerfreundlichkeit von Wissenschaftlern der Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement der TU untersucht wird.
Klimaschonend: Leichtere Felgen und Sitze
Eine Felge, die in Sandwichbauweise Faserkunststoffverbunde und Aluminiumschaum vereint, entwickelten die MERGE-Wissenschaftler bereits bis zur Serienreife. Im Vergleich zu einer Referenzfelge aus Stahl, die rund 6 Kilogramm wiegt, liegt das Gewicht der neuen Sandwichfelge bei nur 3 Kilogramm. Das Team um Alexander Hackert konnte die Entwicklung des Leichtbaurades schutzrechtlich als Gebrauchsmuster anmelden und als Patentschrift durch das Deutsche Patent- und Markenamt vorlegen.
Als Schnittstelle zwischen Auto und Mensch im Pkw-Innenraum wurde im Rahmen des Projektes ein physiologisch optimierter Leichtbausitz im Multi-Material-Design entwickelt, der aktuell von Mitarbeitern der Professur Sportgerätetechnik der TU unter Probandenbeteiligung getestet wird. Dieser ist im Hinblick auf Klima- und Sitzkomfort mit textilen 3D-Abstandsgewirken ausgestattet. Der Kern besteht aus 3D-Gewirken – zwei textilen Wabenflächen, die durch sogenannte Monofile (einfädige Endlosgarne) auf Abstand gehalten werden. Die einzelnen Fasern stehen senkrecht zwischen den Deckschichten. Dazwischen wird Weichschaum eingespritzt, der sich um die Fasern legt, aushärtet und einen stabilen Verbund erstellt. Ressourcenschonend hergestellt ist das Bauteil so nicht nur besonders leicht, fest und stabil, sondern auch genau auf die Bedürfnisse des Fahrers zugeschnitten. Zudem steht eine individuell an die Kopfform des Nutzers anpassbare Kopfstütze zur Anwendung bereit.
Auch das Einbringen von Elektroden, Sensoren und berührungssensitiven Folien, die u. a. in der Mittelkonsole des Pkw Anwendung finden sollen, spielen eine Rolle, ebenso wie Konzepte und Technologien für das Recyceln von Leichtbaustrukturen oder die Wiederverwertung von recycelten Materialien, wodurch der komplette Materiallebenszyklus im Projekt abgebildet wird.